Mit bekannten Mitteln etwas Neues schaffen – das Wunderkind aus São Paulo macht’s möglich. Doch Céus Größe liegt nicht in dem Umstand begründet, dass sie Samba mit Reggae, Lounge und einem Schuss Tropicalismo verbindet, sondern wie sie dies macht: konzentriert, stilsicher und mit unbekümmerter Lust am Experiment. Dabei klingt die 29-jährige Tochter eines brasilianischen Komponisten auch auf dem Nachfolger ihres gefeierten Debüts stets wie sie selbst – unvergleichlich und vertraut zugleich. Mit „Vagarosa“ legt die musikalische Kosmopolitin ein weiteres Werk voll ansprechender Melodien vor.
(Wolfgang Zwack, STEREO)
“Vagarosa“, das zweite Album der sensationellen Vokal-Stilistin aus São Paolo, ist eine Enttäuschung ¬– könnten jene fälschlicherweise sagen, die darauf hofften, die geniale Brasilianerin würde sich vielleicht mehr den Traditionen von Samba &, Bossa & Co. zuwenden. Oder die andere Fraktion, die eventuell mehr elektronifizierte Moderne erwartete. Doch Maria Do Céu Whitaker Poças entzieht sich all diesen Erwartungen und pflegt stattdessen ihre kosmopolitische Stilvielfalt. Und auch ihr zweites Album bestätigt all jene Qualitäten, die AUDIO schon ihr etwas gefälligeres Debüt zur „Pop-CD des Monats“ (siehe 8/2007) küren ließ. Ein wenig Geduld braucht es zwar schon, doch dann entfaltet „Vagarosa“ (was gemächlich, langsam oder auch lässig bedeutet) eine immense stilistische Farbenpracht und belohnt die Annäherung durch reichhaltige, stets fein abgestufte Soundvariationen. Und weil derart ¬tolle, inspirierte und ¬animierende Musik nach wie vor eher rar ist, dürfte die 29-jährige Paulista bei Musikgourmets mit weitem Horizont bald mehr sein als nur ein gut gehüteter Geheimtipp. Céu kreuzt virtuos Sambaspuren und Popmelodik, streut Electronica-Streusel und Dub-Riddims ein (wie in „Cordao Da Insonia“, der Hymne auf die kreative Schlaflosigkeit), garniert das trippig treibende „Nascente“ mit schlängelnden Vocals und grandiosen Jazz-Bläsern und umgarnt „Rosa Menina Rosa“ mit Retro-Orgelsounds und Psychedelic-Ambiente. „Somnambulo“ wiederum spielt mit einen Hauch von Tango mit Trip¬Hop und Scratches – und alles zusammen beweist: Céu ist eine Ausnahmekünstlerin und rechtfertigt den Debüt-Lorbeer mit ihrer zweiten Platte vollauf.
Fazit: Céu bleibt die weitsichtige, stilsichere Hohepriesterin des Brasil-Pop
(Claus Böhm, AUDIO 11/2009, Album des Monats)