Simon Joyner ist ein seit den frühen 90ern aktiver Singer-Songwriter aus Omaha, NE. In seiner Musik finden sich Anklänge von Leonard Cohen, Bob Dylan, Townes Van Zandt. Aber letztlich ist er eine eigene Größe.
Sein Songwriting, sein Vortrag ist brüchig und zugleich sehr kraftvoll und eindringlich. Musikalisch oft minimalistisch ist er wagemutig, und lässt Unvorhergesehenes zu. Er war für Bright Eyes' Conor Oberst zugegebenermaßen die Initialzündung für dessen eigenen Stil. Er war in den frühen 90ern Anlass für den sogenannten »John Peel Accident«, das einzige Mal, dass der bekannte englische Radio DJ seine hehre Regel brach (»Nur einen Song pro Platte«), und gleich Joyner's ganzes Album komplett in der Sendung spielte.
Vornehmlich als Doppel-LP konzeptioniert, nimmt der Songwriter auf »Step Into The Earthquake« sich sehr persönliche Perspektiven vor. Die Charaktere in Joyners Songs erleben die Auflösung von Behaglichkeit, ihre Unsicherheit, ihre Überforderung, voll ängstlicher Sorgen über unsere turbulenten Zeiten. Joyner durchstreift menschliche Zwangslagen im Allgemeinen, aber insbesondere die amerikanische Psyche.
Er erzählt erdachte Geschichten und rückt damit ganz nah an bittere Wahrheiten heran. Seine Charaktere kämpfen sich durch ihre persönlichen Krisen und absorbieren gleichzeitig Amerikas derzeit missglückende Experimente. Musikalisch ist das die genaue Entsprechung. Aufgenommen mit seiner sehr variablen Band The Ghost in Omaha's ARC Studio ist ihm ein eindringliches, großes Spätwerk gelungen, das selbst aus seinem reichen Katalog heraussticht.
Seit 25 Jahren auf der Szene und stets offen für Einflüsse aus Rock, Folk und Jazz legt er mit dem Doppelalbum ›Step Into The Earthquake‹ sein bisheriges Meisterwerk vor.
(stereoplay, November 2017)
17er. Der Mann ist ein Phänomen. Okay, er haut nicht ein Meisterwerk nach dem anderen raus, aber immer wieder ist eines dazwischen. Was leider immer nur von ganz wenigen so wahrgenommen wird. Vielleicht auch wegen des zwar oft großartigen aber definitiv „andersartigen“ immens eigenen Songwritings. Hier hat er wieder ein tolles neues Album produziert! Ungemein gehaltvoll! Die Gangart weitgehend zurückhaltend, ob minimalistisch, luftig, träge dahinfließend resp. schleppend, ziemlich düster, dunkel und melancholisch, dramatisch aufgeladen, oder auch tougher und ziemlich kräftig. Die Instrumentierung rund, organisch und angenehm lose/locker zugleich, manchmal phasenweise beinahe zerfallend bzw. irgendwie torkelnd bis harmonisch aufgebrochen, angeschrägt (klasse!!), getragen (parallel) v.a. von den Paarungen akust./elektr. Gitarre und Piano/Orgel, punktuell schön ergänzt von Pedal Steel (?), Mellotron, Vibrafon, Geige, Cello, Harmonica. Oft zelebriert er eine Art Proto-Americana mit 70s-Touch (bzw. völlig zeitlos wirkend), mit und ohne The Band-Assoziationen, voller Wärme, mal gekreuzt mit Roots Rock (entfernt ähnlich späteren Green On Red). Anderswo würde ich´s eher Songwriter-Rock nennen (folkig, kurzzeitig kontrolliert-noisy oder bis hin zu einer gewissen Ähnlichkeit mit einem rootsig angehauchten Lou Reed), zwischendurch mal etwas zerschossen wirkend, fast in Zeitlupe. Er läßt sich in einigen Stücken viel Zeit, am Schluß auf die Spitze getrieben (und doch aus der Reihe fallend) in 19 tollen Minuten: Zunächst rhythmuslos/ultralangsam und rein instrumental, psychedelisch aufgeladen, gar Anklänge an frühe Pink Floyd oder „The End“, später immer weiter verdichtet mit einer dicken Prise Velvet Underground (die längeren Stücke) und enorm intensiv, schließlich fasernd sich auflösend grandios! Überhaupt: Ich höre nicht einen auch nur ein wenig schwächeren Song, dafür mindestens 5 weitere absolute Highlights. Und gelegentlich schleicht sich ein gewisser Dylan-Einfluß ein (freilich in sehr individueller Ausprägung), ein kleines bischen erinnert´s mich auch mal, wenngleich stilistisch nicht identisch, an Terry Allen (meets Jerry Jeff Walker?). Eine große Empfehlung!
(dvd, Glitterhouse)