Loretta – Softrock ist kein Verbrechen
Journalistisch natürlich indiskutabel: über Freunde tippen. Macht man nicht. Doch meine Freunde, das muss ich in dieser Deutlichkeit sagen, sind ausnahmslos die tollsten Typen und Typinnen der Welt. Kann man locker nachprüfen, ist so zu sagen empirisch erwiesen. Nicht einer oder eine auf die ich keine stundenlange Lobeshymne singen würde – und das, obwohl ich wirklich miserabel singe.
Mein Freund Andreas singt zum Beispiel viel besser. Seit Jahren schon. Loretta heißt die Band, “The Stars My Destination” die neue Platte, die jetzt bei Treibender Teppich Records erscheint.
„Softrock“, scherzen wir manchmal bei Getränken, als ob das etwas Schlimmes wäre. Im Gegenteil: Das ist die mindestens drittbeste Rockmusik der Welt. Kannste dazu küssen, kochen, aufräumen oder halt zuhören und in jeder verdammten Ecke ständig irgendwas Neues entdecken.
Kurze Wegbeschreibung bei Loretta: Big Star, Tom Petty & The Heartbreakers, Travelling Wilburys, George Harrison, die Gallagher-Brüder, Teenage Fanclub – Erwachsenenrock, “Dadrock”, zu lässig, noch eine Show abzuziehen, Tendenz zum Drittkind und am Wochenende lieber zu Hause bleiben, weil da keiner nervt, den man nicht bereits kennen würde.
“The Stars My Destination” ist natürlich vorzüglich, Doppel-LP, weil das einmal im Leben gemacht werden muss. Behilflich waren die Brüder und Schwestern im Geiste von Locas In Love aus Köln. Die mag ich auch. Und Köln ja eh. Die Blue Öyster Cult Gitarren in “Everything/Something” sind freilich auch super.
Was meine kritische Distanz zu Loretta und Andreas angeht: Ein gutes Lied ist ein gutes Lied – und hier hat’s mindestens 17 Stück davon. Basta. Ich sag wie’s ist: Wenn die Platte doof wäre, würde ich ihm das vielleicht sagen. Da sie aber viel zu gut ist, sag ich lieber nichts. Nicht, dass der Kerl noch arrogant wird und sich coolere Freunde sucht.
Und: Zum Glück haben Loretta auch die herzzerfetzende olle Don Henley-Coverversion nochmal draufgepackt – “Boys of Summer”. Gab’s bisher ja nur auf der Single vom Singles-Club in der Rampe.
(Setzer, www.kessel.tv, 25.01.2019)
Wer sich auch nur ein wenig mit dem gitarrengleißenden Loretta-Lied-Luxus beschäftigt hat, sollte dessen Reife und Qualität kennen und von einem neuen Album, selbst nach vier langen Jahren des Wartens auf ein neues Lebenszeichen, wohl inzwischen bekannte Güte, aber keine tiefgreifenden Überraschungen erwarten, zu lieb geworden sind dem Kenner & Verehrer die gewohnt alltagsnah-abgeklärten Klänge. Aber nicht nur die schiere Fülle des neuen 2019er Vollwerks (das diesen Titel auf allen Ebenen mit Sinn und Seele füllt) lässt zunächst erstaunt innehalten, auch der Weg der Albumgenese, die beeindruckende Anzahl und Auswahl der kreativ Beteiligten und nicht zuletzt die bemerkenswert bleibende Tiefenwirkung sämtlicher zwanzig (!) Songs, die ein jeder für sich genommen schon staunenderweise den Atem stocken lassen, aber gerade in ihrer lückenlosen Perlenfolge für immer größere Augen und Ohren sorgen. Nicht zuletzt mag die außerordentliche Güte- & Gedankenfülle an der Kreativ-Konstellation liegen, die Loretta gemeinsam mit der Band Locas In Love in die beiden beteiligten Band-Studios trieb, wo die stets spürbar verwandten Gruppengeister sich gegenseitig befruchtend und bereichernd für eine wundervolle Weisen-Vielfalt sorgen, die sich bereits bei erster, oberflächlicher Kontaktaufnahme anhört wie eine Best Of-Collection, gleichzeitig den bekannten Charme beider Formationen atmet und dennoch ganz und gar voller Loretta-Lieder-Leidenschaft strahlt. Freilich könnte man wieder allerhand Verweise und Vergleiche tätigen, Tom Petty’s Heartbreakers, Prefab Sprout, Go-Betweens, Fink und Waterboys zitieren, die Byrds bemühen und Liedermacher/Songwriter, Americana, Folk-Pop und Pub Rock stottern, aber dieses Album allein ist vielschichtig-farbiges Argument genug, um Loretta (& Locas In Love) endlich für sich allein wirken zu lassen – selten hörte ich eine derart reiche Fülle an herrlichen Melodien, berührenden Geschichten, wohlgesetzt-eigenständigen Arrangements (und gefühlvollen, gemischt-delikaten Duetten) auf einem einzigen Gruppenwerk versammelt. Ein echtes, erhabenes, reichhaltiges, und jeden einzelnen Moment belohnendes Doppel-Album, das seinen Namen mehrfach verdient hat.
(cpa, www.glitterhouse.de)