Sorry Gilberto sind wieder da! Mit ihrem zauberhaften vierten Album »Twisted Animals« und Liedern, die im Dunkeln leuchten – Musik für die Dämmerung und den strahlenden Tag.
Anne Von Keller und Jakob Dobers bilden ein Duo, welches sich treu bleibt. Duette mit euphorischfröhlicher Melancholie machen »Twisted Animals« zu einem einprägsamen Album, welches sich mit Hall und Echo-Effekten perfekt für Sommertage, an denen es auch regnet, eignet und ein Lächeln auf die Gesichter zaubert. Seit 2007 knüpft diese musikalische Partnerschaft an Klänge wie die von Velvet Underground und Belle And Sebastian an.
»Twisted Animals« berichtet mit Songs von gelben Pullovern, dem Geruch von Kaffee, Besuchen beim Psychoanalytiker, Verlusten von Menschen und Orten. Die elf Songs sollen den Hörern helfen und ihnen neue Möglichkeiten und Wege aufzeigen. Jeder für sich öffnet eine eigene Welt und erzählt Geschichten meist vom Ende an. Aufgenommen haben Sorry Gilberto dieses Album im bekannten Berliner Candy Bomber Studio mit Produzent Ingo Krauss. Die sphärischen Sounds des Omnichords verstärken den analogen Hall und Tape Echo, welche einen Raum öffnenden Effekt schaffen sollen.
Auf »Twisted Animals« wird der von dem Duo bisher skizzenhafte Pop-Entwurf detailgenauer vertont. Überhaupt gibt es diesmal weniger Lagerfeuer und viel mehr After Hour. Der Plattenhall, das Delay und gedoppelte Chöre erzeugen eine gewisse verhangene Entrücktheit, die durch die sehr bildlichen Texte wieder konterkariert wird. So erinnert »Yellow Sweater« mit seinen trockenen Gitarren und den Distortion-Momenten an Neil Young in der »On The Beach«-Phase und in seiner melancholischen Psychedelik an Mazzy Star. Sorry Gilberto haben mit »Twisted Animals« die Details ihres Universums erforscht und haben daraus eine besondere Kraft für ihre Songs gewonnen.
Summen statt Posaunen: Minimalpop-Chansons mit viel Romantik.
Für ihr viertes Album stellen Anne von Keller und Jakob Dobers ihre Minimalpop-Chansons in etwas detailliertere Arrangements und buchstabieren Ideen aus, die auf früheren Platten skizzenhafter geblieben wären. Nun tritt die Romantik, die in diesem Werk immer genauso wichtig ist wie das Karge, ein wenig in den Vordergrund. Sie ist natürlich ohnehin das Herz in dieser Musik, die lieber summt als rausposaunt. Eine der besten Momente schafft "Into The Woods", das eine hypnotische Spieluhrmelodie hat, sich anfühlt wie französisches Autorenkino und viel zu früh vorbei ist. Aber es gibt hier noch viele weitere kleine Wonnen. Die Schlichtheit legt frei, wie schön diese Lieder sind.
(Jörn Schlüter, Rolling Stone September 2016)
Die Ausnahme von der Regel: nicht-manipulativer Indie-Folk.
Vor gut(en) zwei Jahren fand sich der Autor dieser Zeilen – wahrhaft kein großer Freund von larmoyantem Indie-Folk – in einem Kreuzberger Mitmachzirkus für Kinder wieder. Nachts, ohne Kinder. Dafür, im Rahmen einer heiteren Songwriter-Gala, mit den vom Autor befürworteten Künstlern Jens Friebe und Schneider TM, sowie dem ihm radikal unbekannten Indie-Folk-Duo Sorry Gilberto. Neben Sufffantasien rotierten die Songs von letzteren später auf dem Nachhauseweg in seinem Schädel.
Was war geschehen? Wie andere ihrer Zunft arbeiten auch Sängerin, Multiinstrumentalistin und Schauspielerin Anne von Keller und Sänger/Gitarrist Jakob Dobers sich an Alltäglichkeiten ab, interpretieren liebevoll vermeintliche Nebensachen („a yellow sweater on a plastic chair“). Aber sie tun das ohne die ewige Träne im Knopfloch, trachten nicht nach Mitleidsprovokation des Hörers.
Sorry Gilberto durchschneiden den Gefühlsknoten mit „simple melody, nice philosophy, happy song“, erfrischen mit neuen Blickwinkeln, wenn sie etwa den Autoritätsverzicht von schlechtem Wetter loben („dear grey sky, you never push it, I might go for a walk or maybe not“). Die beiden machen schlicht Spaß und wirken dadurch authentischer als die meisten ihrer Schluchzerkollegen. Auf einmal geht die sonst oft Scheinintimität erzwingende Formel mit der kargen Instrumentierung auf, erkennt man wieder, dass es kein falsches Genre gibt. Nur falsche Einstellungen und Absichten.
(Stephan Rehm, Musikexpress September 2016)