Unser "Neuer"
präsentiert hier erstmalig das, was er dieses Jahr gerne aufgelegt
hat. Passt doch gut zu Michaels Favoriten! Heimlicher Star dieser Auswahl:
Gurf Morlix, texanischer Gitarrist
und Ex-Sidekick von Lucinda Wiliams. Und dass mir hier keiner meckert,
weil die Platten nicht alle aus 2002 stammen!
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Miles Davis: "Kind
Of Blue" (Columbia, Mai 1959) |
Hatte
im 2001-Katalog gelesen, dass es ein Buch über "The Making Of..."
dieser Platte gibt. Da mich als ehemaligen Tontechniker Bücher über
Plattenaufnahmen aus Prinzip interessieren, schritt ich zum Kauf desselben
und hatte dabei die glorreiche Eingebung, dass es eine gute Idee sein
könnte, mir die dazugehörige Platte auch einmal anzuhören.
Der Preis von 6,90 EUR schreckte auch nicht wirklich ab. Eine der besten
Investitionen in sein Wohlbefinden, die man machen kann. Diese Platte
(ja, ich weiss, es ist mittlerweile eine CD, aber ich denke immer noch
in Platten-Kategorien; zur Einschätzung von Preisen rechne ich auch
immer noch in DM um) war für mich eine fast religiöse Erfahrung.
Jazz macht mich meistens nervös. Entweder ist es mir zu hektisch
oder es nervt mich, dass ich nicht weiss, was da harmonisch passiert.
Diese Aufnahmen sind aber auch für Freunde einer überschaubaren
Anzahl von Akkorden in der Musik zu empfehlen. Die Musik ist überwiegend
ruhig, die musikalischen Themen sind überschaubar und es wird mit
einer solchen Souveränität und Klasse miteinander musiziert,
dass es eine wahre Freude ist. Die aktuelle Überspielung auf CD entspricht
- wohl im Gegensatz zu früheren Veröffentlichungen dem Tempo
der Originalaufnahmen und klingt erstaunlich klasse. Man fragt sich, wozu
die letzten Jahrzehnte Entwicklung in der Tontechnik notwendig waren.
Die Band ist dermaßen präsent im Wohnzimmer, als wären
die Herren zu Hause zu Gast. Nach der Arbeit abends "Kind Of Blue"
auflegen und ein gutes Glas Wein... Superb.
Diese Aufnahme gehört in jeden ordentlichen Haushalt. Man muss allerdings
vor den Folgekosten dieser Anschaffung warnen. Es folgte bei mir einiges
von den Herren Davis und Adderley (ist aber alles erstaunlich günstig
zu haben).
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Jackson Browne:
"The Naked Ride Home" (Elektra, Okt. 2002) |
Ein paar Jahre hat es gedauert, bis endlich wieder ein neues Album von
Herrn Browne erschienen ist. Jackson Browne gehört zu den ganz
wenigen Songwritern, die es mit ihrem Werk immer wieder geschafft haben,
bei mir emotional einen Punkt ganz tief in mir drinnen zu treffen. Entsprechend
wichtig war und ist er für mich. Erinnere mich noch, dass ich einer
Freundin in Bulgarien einmal Cassetten zusammengestellt hatte mit Musik,
die mir wichtig war, um auch etwas von mir zu erzählen. Dabei war
auch viel von JB. Besonders "Late
For The Sky". Da damals die Texte bei der LP nicht abgedruckt
waren, habe ich ihren alten Mono-Cassettenrecorder immer wieder zurückgespult,
um die Lyrics rauszuhören. Brachte mir eine Menge Ärger ein,
da sie befürchtete, dass ihr Cassettengerät diese Behandlung
nicht überlebt (und Cassettenrecorder waren damals in Bulgarien
noch sehr teuer). Auf dem aktuellen Werk steht nicht nur Herr Browne
im Vordergrund, sondern fast gleichberechtigt seine exquisite Band,
mit der er mittlerweile seit Jahren zusammenarbeitet. Es ist eine Freude,
dem Zusammenspiel dieser Leute zu lauschen. Wer wissen will, wie man
Instrumente so arrangieren kann, dass sie sich nicht gegenseitig überlagern,
sondern sich Raum und Luft lassen und dabei immer songdienlich sind,
kann hier in die Lehre gehen. (Ein Musterbeispiel für perfektes
Arrangement ist für mich übrigens der Song "Barricades
Of Heaven" von dem Jackson Browne Album "Looking East",
den ich erfreulicherweise auch in ein paar Liveaufnahmen habe, die genauso
erstaunlich klar und einfach gekonnt sind.) Hatte übrigens einmal
das Vergnügen, den Meister kurz persönlich kennenzulernen
(und für ihn zu arbeiten). War (ich glaube '96 oder '97) in Frankfurt
in der Alten Oper zu einem JB Konzert. Wie üblich gab es zuvorkommenderweise
die Gelegenheit zum Kauf von Devotionalien, sprich T-Shirts, etc. Chefverkäufer
war dort Chis Runciman, ein Engländer, den ich als Roadmanager
bei der ersten Europatournee mit meiner damaligen Band Scooter
& The Streethearts im Vorprogramm
von Joe Grushecky & The Houserockers
aus Pittsburgh, PA, USA, kennengelernt hatte. Allgemeine Wiedersehensfreude.
Im Ergebnis gab es Backstagepässe für das nächste Konzert
im Stadtpark, Hamburg. Habe mir dabei dann noch ein T-Shirt verdient,
indem ich in Hamburg beim Merchandising-Verkauf mitgeholfen habe. Nach
dem Konzert gab es die Gelegenheit zu einem Shakehands und zur Überreichung
der eigenen CD (die hierzulande kein Schwein kennt, die aber persönlich
an u.a. JB, Bruce Springsteen, Steve Earle, Joe Ely überreicht
wurde - hat aber auch nichts genützt). Jackson machte einen irgendwie
vergeistigten Eindruck, aber vielleicht war es ja auch nur der Stress
des Konzertes, das gerade hinter ihm lag.
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James Taylor:
"Oktober Road" (Columbia, Sept. 2002) |
Dankenswerterweise war ich mit 16 einen
Sommer lang im Austausch in den Staaten. Damals enthielt die LP-Sammlung
bei allen weißen Mittelschicht-Familien "Tapestry"
von Carole King, den Soundtrack von "Jesus Christ Superstar"
und "Sweet Baby James"
von James Taylor. Seitdem kenne und schätze ich diesen Songwriter.
Umso schöner ist es, dass er auch jetzt noch wunderbare Songs schreibt
und wieder ein schönes Album veröffentlicht hat. Das Konzert
zur Albumveröffentlichung in der Alten Oper in Frankfurt war ein
spieltechnischer und klanglicher Genuss. Zum ersten Mal hatte ich das
Vergnügen, Steve Gadd
und Michael Landau
live zu sehen, zwei Musiker, die ich von unzähligen Platteneinspielunge
kenne, aber noch nie live erlebt
hatte. Auf der CD spielt zudem auf dem Titelstück einer meiner
Gitarrengötter, Ry Cooder.
(Der Sack sollte übrigens endlich wieder was Eigenes machen und
nicht nur Kubaner und andere Mitmenschen ausgraben und produzieren.)
Sensationell gut ist der Akustikgitarrensound von Herrn Taylor. Jede
kleinste Nuance ist live präsent und brlliant wahrnehmbar. Dankenswerterweise
erliegt Herr Taylor auf der aktuellen CD nicht seiner Wahnvorstellung,
er wäre ein Rock'n'Roller. Live meint er nach wie vor, den einen
oder anderen bekannten Rock'n'Roll-Titel einstreuen zu müssen.
Eine absolut gediegene Platte, die man in Ruhe zu Hause genießen
kann.
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Mary Gauthier : "Filth & Fire"
(Munich, Juni 2002) |
Die
Dame hatte ich vor ca. 2 Jahren mal in Utrecht beim "Blue Highways"-Festival
gesehen. Hatte mich nicht so vom Hocker gerissen. Wohl auch, weil ich
vorher irgendwelche Bruce Springsteen-Vergleiche gelesen hatte. Das
kann ja nicht gut gehen und ist wohl auch in ihrem Fall größtenteils
Blödsinn. "Filth & Fire" hatte ich mir nur zugelegt,
weil Jürgen, Inhaber des besten Plattenladens wo gibt, dem Rock
Store am Grendplatz in Essen-Steele, sie mir empfohlen hatte.
Auch wenn ich im Laufe der Jahre gelernt habe, dass man Empfehlungen
von Jürgen blind folgen kann, war das durchschlagende Verkaufsargument
dann doch der Name des Produzenten, Gurf
Morlix. Bisher kenne ich keine schlechte Produktion von ihm (Seine
eigenen CDs sind allerdings mit Vorsicht zu genießen. Gurf Morlix
verehre ich als Produzenten und Gitarristen bei anderen Songwritern
sehr. Seine eigenen Sachen haben mich leider ziemlich enttäuscht.
Ist wohl kein besonders guter Songschreiber, der Mann. Aber wenn er
für gute Songs spielen kann, ist er dermaßen auf den Punkt
und wohlklingend, einfach göttlich.) Und wieder mal hatte Jürgen
Recht. Diese Platte ist einfach großartig. Die Songs sind gut.
Und was Herr Morlix daraus gemacht hat, ist noch besser. Es ist eine
himmelschreiende Ungerechtigkeit, dass diese CD nicht alle Charts-Spitzenplätze
abgeräumt hat. Aber Verkaufserfolg und musikalische Qualität
haben ja leider nur sehr selten etwas miteinander zu tun. (Es wäre
ja auch zu unangenehm, wenn alle die Musik hören würden, die
man selbst gut findet. Es ist ja ein durchaus wohliges Gefühl,
als Nischen-Experte verkannte Genies wertzuschätzen.)
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Colin Linden: "Big Mouth" (Sony,
Okt. 2001) |
Neues
Album des kanadischen Songwriters/Gitarristen, der unter anderem auch
bei Blackie & The Rodeo Kings mitmischt. Gesangs-Duette mit Lucinda
Williams, Keb Mo und Lee Roy Parnell, Harmony-Vocals von Jonell Mosser
und eine 12-saitige von Bruce Cockburn. 14 Eigenkompositionen und Hard
Time Killing Floor Blues von Skip James.
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Slaid Cleaves: "Broke Down" (Rounder/Philo,
März 2000) |
Gemeinsam
mit Gurf Morlix
(Gitarre, Bass, Orgel, Mandoline, Percussion) und wechselnden Gästen
eingespieltes Werk in der gelassenen Weite von Folk, Country und ruhigem
Rock.
Kein Wort zuviel, die Bilder funktionieren
aus dem Stand. Den Blues im Rücken, einen Touch Rockabilly hier
und da und Gurf Morlix (Lucinda Williams) an der Gitarre und mit viel
Geschmack als Produzent. Slaid Cleaves ist nicht unbedingt ein origineller
Singer/Songwriter, und er bedient auch keinen Zeitgeschmack. Aber seine
Songs sind essenziell, ebenso instrumentiert und dank der genauen Beobachtungen
nachhaltig wirksam. Aus guten Grund von Jimmie Dale Gilmore empfohlen.
(TIP Berlin)
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Ray Wylie Hubbard: "Eternal And Lowdown"
(Rounder/Philo, Juli 2001) |
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Kasey Chambers: "Barricades &
Brickwalls" (Virgin, Okt. 2002) |

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"Train Don't Leave Me - Live At The
1st. Annual Sacred Steel Convention" (Arhoolie, Juni 2001) |
"Yes!
Nach den Holmes Brothers und den Blind Boys Of Alabama wird es Zeit für
einem Gospel-Nachschlag. Seit den 30er Jahren feiert die House of God
Holiness Pentecostal Church ihre Gottesdienste mit Steelgitarristen und
Sängern, die während der Messe den Lord preisen und sich dabei
in eine ziemliche Frenzy whippen, wie der Amerikaner so sagt. Ein paar
Sacred Steel Compilations auf Arhoolie sind Beweisstücke
dieser einzigartigen Musik.
Nun haben sich diese Musiker das erste Mal ausserhalb des Gottesdienstes
getroffen, um bei Workshops zu lernen und live aufzutreten. Diese CD bietet
nun Live-Aufnahmen mit Beiträgen von altgedienten Überbringern
des Wortes wie den Campbell Brothers, aber auch jungen Bands wie Robert
Randolph. Da zeigt sich mal wieder, dass die Steelgitarre ein Instrument
ohne Grenzen ist und wenn dazu die Gospel-trainierten Stimmen einsteigen,
dann kann das den Roots-Fan nicht unberührt lassen. Und dann kommt
die alles entscheidene Frage: Brothers and sisters, are you ready to testify?"
(Glitterhouse) |
The Blind Boys Of Alabama:
"Spirit Of The Country" (April 2001) |
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Tom Russell:
"Borderland" (Hightone, Mai 2001) |
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Jerry Douglas: "Lookout For Hope"
(Sugar Hill, Juni 2002) |
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Lucinda Williams:
"Essence" (Lost Highway, Juni 2001) |
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Robert Earl Keen: "Gravitational Blues"
(Lost Highway, Okt. 2001) |
"Goin' Nowhere Blues": grossartiger Song mit herausragender(m)
Produktion, Arrangement und Gitarrenspiel von Gurf
Morlix.
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Peter Wolf: "Sleepless" (Epic/Artemis,
Sept. 2002) |
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Buddy Miller: "Midnight And Lonesome"
(Hightone, Okt. 2002) |
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