Für mich ist David Murray der größte Jazzmusiker der letzten 30 Jahre. Seinen mittlerweile vielen absolut überragenden Alben fügt er nun ein weiteres hinzu. Kein Crossover mehr wie zuletzt, keine World Music-Anleihen - Jazz, aber wie! Auffallend: Die enorme Leichtfüßigkeit fast des ganzen Albums, man höre nur das (teils wunderbar perlende) Piano, die einzigartigen Drums von Andrew Cyrille (er ist einfach ein ganz Großer), hochintelligent, diffizil, z.T. regelrecht zärtlich. Vieles kommt in balladesker Gangart, aber meist auf eher unkonventionelle, offene, modale, freiformal fließende (doch sehr melodische!) Art, ungemein feinfühlig/fein ziseliert, zwischen romantischer Note und eher leiser/sehr moderater Avantgarde. Darunter das Titelstück, eins von 2 sehr langen mit Cassandra Wilson, die Instrumente samt ihrem Gesang tänzeln sacht und organisch umeinander - fabelhaft, zutiefst inspiriert, ein Song wie gemalt! Völlig anders Cassandras 2. Feature (beide zu Texten des Schriftstellers/Poeten Ishmael Reed!): Eine ganz klassische harmoniereiche bluesgetränkte old-fashioned Ballade, 11 Min. lang, brillant. Verbleiben 2 etwas handfestere/extrovertiertere Post Bop-Tracks, elastisch-federnd/komplexer pulsierend swingend, bzw. stärker traditionell geprägt, mit R´n´B-Untertönen und zentralem immer wiederkehrendem Motiv. Und Highlight Nr.3: Wunderbar "altmodisches" hochmelodisches Sax über einem Tango/Rumba-geerdeten Rhythmus; klasse Bass auch! Murray selbst beweist seine Weltklasse und höchste Phrasierungskünste: Ein warmer unaufhaltsamer Strom aus Ideen, Tönen, Melodien ergießt sich aus dem Sax, mal sanft, fast gehaucht, gerne geschmeidig, ja elegant, mal quirlig oder aufschreiend, grell, expressiv in harmonischer Freiheit; eine bestechende extrem notenreiche emotionale Achterbahnfahrt.
(Glitterhouse)