Bei kaum einer anderen Künstlerin tut es mir immer wieder so weh, ihr zartes Song-Gespinst mit meinen kantigen, unbeholfenen Worten beim Versuch der Beschreibung zu geisseln. Dabei singt/spricht Laura doch auf ihre klare, natürliche, ungekünstelte Weise ganz für sich selbst, mit einer Stimme, die Folk-Freund, Indie-Fanatiker wie Sonnenschein-Pop-Verehrer gleichermassen unwiderstehlich ins Ohr geht, um sich unaufhaltsam den Platz im Herzen zu suchen und zu sichern. Zart und sanft schwebt Lauras Gesang in wunderweichen Melodien über und in nur auf den ersten Blick einfach gehaltenen Songs. Denn auch wenn die Arrangements stets übersichtlich gehalten wurden, auch intime Momente allein mit dem Banjo oder dem Klavier alle Sinne vibrieren lassen, so gibt es doch auch gepflegte Lap Steel-Country-Besetzungen und gefühlvollste Streicher-Ensemble-umsäumte Wohlklang-Vollbäder. Zu der immer klar und durchsichtig gehaltenen Begleitung auf Geige, Bratsche, Harmonium, Melodica, Banjo, dezent verstimmtem Steh-Klavier und allerlei Gitarren trugen Freunde und gute Bekannte wie Karl Blau, Steve Moore, Eyvind Kang und Stephen Barber bei. Aber es sind vor allem die vom ersten Zusammmentreffen an bewegenden Songs, die es Laura erlauben, auf ihrem mittlerweile siebten Album ihren ganz eigenes Folk-Fest zu zelebrieren, irgendwo zwischen den zutiefst berührenden Kargheiten ihres Frühwerkes, amerikanischen Wurzeln, klassischem Country und einer einzigartigen strahlenden Pop-Eingängigkeit, die in einer besseren Welt die Massen bewegen würde. In unserer grauen Wirklichkeit aber bleibt es wieder mal einer eher überschaubaren Zahl von Wissenden überlassen, dieser erdverbundenen Fee des Feinklangs ein weiteres Mal zu verfallen.
(Glitterhouse)
In some ways, July Flame might seem to mark a kind of scaling back for Laura Veirs. After a few years on Nonesuch, she has returned to the indie world, and where those Nonesuch releases found her pursuing a more band-oriented, rockish direction, this one harks back to Veirs' folkie beginnings; the arrangements are centered squarely around her own acoustic picking. That's not to imply that July Flame is any kind of step backwards, though; Veirs' producer/boyfriend, Tucker Martine, is still helping her to turn her visions into reality, as he has done since 2003's Troubled by the Fire, and there's a full complement of players supporting those visions here — they're simply deployed in a more subtle manner. Veirs cut her regular band loose before the making of July Flame, mostly for logistical reasons, hence the change of direction. There are a couple of relatively rhythmic cuts here, like the title track, and the backbeat-driven "Summer is the Champion," whose pounding piano, ‘60s pop guitar, and horn punctuation evoke Sgt. Pepper's-era Beatles, but they are exceptions to the rule. When Veirs sings "I want nothing more than to float with you" on "Little Deschutes" (Deschutes is a county in her and Martine's home state of Oregon, in case you were wondering), it can be seen as both an emotional agenda and a musical mission statement. In terms of the latter, a number of tunes on July Flame seem to be rooted in — if not overtly inspired by — Veirs and Martine's state of romantic bliss, especially the dreamy "When You Give Your Heart." If their personal connection is anything like their musical one it's easy to understand why; Martine brings just the right touches to the tracks, with eerie backing vocals, coloristic percussion, and evocative strings popping up at just the right moments and then disappearing again when they're no longer needed. There are no wasted notes anywhere on July Flame, neither in Martine's production nor Veirs' tightly written (but still expressionistically poetic) compositions.
(by J. Allen, All Music Guide)
Sommer im Winter
Es ist ein gutes und befriedigendes Gefühl, wenn die bekannten Formeln versagen. Wenn Facebook einem Casting-Superstar zu Weihnachten den erwarteten Nummer-Eins-Hit vor der Nase wegschnappt. Wenn statt der Sportstudenten der sympathische 150-Kilo-Kumpel mit dem derbem Charme die tolle Frau abkriegt. Und wenn die amerikanische Folktradition einmal nicht so betont neo und indie, nicht so barfüßig, hornbrillig, langbärtig, karohemdig und überhaupt kauzig-männlich daherkommt. Laura Veirs gehört zu diesen angenehmen Abwechslungen: Die Formalitäten der Aufmerksamkeitssteuerung überspringt die Amerikanerin einfach und beweist, dass zwischen den Polen von kratzigem Weirdo-Folk und gestriegelter, weiblicher Jazz-Matinee-Akustik Platz für so etwas wie Normalität ist.
Stattdessen singt sie auf ihrem siebten Studioalbum zu flockigem Gitarrenpicking unprätentiöse Lieder, die von sommerwarmer Melancholie durchflutet werden. Weil weder Verpackung und Oberflächlichkeiten den Blick verstellen, breiten sich all diese Geschichten schnell im Kopf aus: Beinahe schmeckt man selbst die sonnenwarme Süße der titelgebenden Pfirsichsorte, die Veirs auf einem Ausflug in einer abgelegenen Farmerscheune entdeckte. Fast fühlt man sich angesprochen, wenn sie in der erst zur Mitte bedächtig anhebenden Piano-Ballade "Little deschutes" angesichts einer komplizierten Liebe die Gefühle übermannen: "I want nothing more / Than to dance with you."
Die leisen Liebeserzählungen stehen im Kontext eines fröhlich abgehangenen Sommerreigens: "Sun is king" heißt es federleicht und countryesk zu putzig verschlurfter Steel-Guitar, wenig später behauptet die Sängerin "Summer is the champion" und klingt dabei fast ein wenig nach den Cardigans. Eine Atmosphäre wie ein in warme Rot- und Gelbtöne getauchtes Foto vergangener Sommertage auf dem Land, dem "Life is good blues" die passende Lagerfeuer-Gitarre für den Abend spendiert. Mehr als einmal flutet dabei ein aufwühlender Mittelpart die Herzkammern, etwa wenn Veirs in "When you give your heart to me" Natur- und Liebeserleben zusammenführt: "And my stampeding buffalo / Stops in her tracks and watches the snow / Falling through the old oak tree / When you give your heart to me". Oder wenn Cello und Zupfgitarre sich in "Where are you driving?" auf ihrem ungewissen Weg dem Klavier und der Violine ergeben.
Es passt einfach alles zusammen auf "July flame": die sanfte Stimme mit ihrer Ahnung von Schrillheit, die gezeitengleiche Ruhe in der parallelen Dynamik von Musik und Text, die stille Emotionalität und die unaufgeregte Aufmachung. Hinzu kommen Sympathiepunkte für die Referenzen wie etwa die Ehrerbietung vor der legendären Session-Bassistin "Carol Kaye" und das an ein gleichnamiges Arthur-Rimbaud-Gedicht angelehnte "Sleeper in the valley", in dem sich Veirs einfühlsame Musik und der hochpoetische Text zu einer atemberaubenden, leisen Dramatik verbinden. Was soll man da noch sagen gegen diese anrührende Sommerplatte mitten im Winter? Für zu brav und zu schlicht werden sie nur diejenigen halten, die noch nicht in Ruhe zugehört haben. Colin Meloy von den Decemberists hielt sie dagegen bereits 2009 für das beste Album von 2010. Und die Schöpferin? Gibt sich bescheiden, während sie mit vokaler Schützenhilfe von My Morning Jackets Jim James den Schlussakkord singt: "I wanted to make something sweet, strong, pure." Es ist ihr gelungen.
(Dennis Drögemüller, plattentests.de)