Angenehm und kunstvoll
Robert Forster gehört zweifelsfrei zu den Grandseigneurs des Songwriter-Pop, wie sein neues Album »Strawberries« einmal mehr beweist.
Die Songs des früheren The-Go-Betweens-Musikers klingen auf angenehme Art unaufdringlich, aber immer kunstvoll. Egal, ob es wie im sommerlichen Titelstück um die guten Seiten des Lebens geht. Oder um meisterhafte Beobachtungen der kleinen und großen Dinge des Alltags.
Stellen Sie sich einen unserer größten lebenden Singer-Songwriter in einer Küche vor. Er ist im Urlaub, er ist gerade schwimmen gegangen. Seine Frau ist am Strand, und er steht vor einer Schüssel mit unwiderstehlichen Erdbeeren. Natürlich sollen sie geteilt werden, aber ihr Geschmack ist »außergewöhnlich«, so dass er einfach nicht anders kann. Minuten später sind alle köstlichen Früchte weg, aber es gibt den Keim eines Liedes, denn der Satz »Jemand hat alle Erdbeeren gegessen« ist Robert Forster gerade in den Sinn gekommen und klingt »so seltsam, aber normal«. Zum Glück hat er seine Gitarre mitgenommen.
Es heißt, seine Frau Karin Bäumler habe ihrem Mann nicht nur verziehen, sondern sogar im Duett mit ihm den Titelsong für sein neuntes Soloalbum eingesungen. »What can ordinary be?« ist die wehmütige Frage, die zum Lebenswerk von Robert Forster passt, der die Kunst, auf möglichst unauffällige Weise ausgefallen zu sein, perfektioniert hat, von seiner Zeit bei den Go-Betweens bis zu seiner Solokarriere, die sich mittlerweile über fast drei Jahrzehnte erstreckt, unterbrochen nur von der Wiedergründung der alten Band im Jahr 2000, die mit dem frühen Tod seines Songwriting-Partners Grant McLennan im Jahr 2006 endete.
Da dieser traumatische Schlag fast zwei Jahrzehnte zurückliegt, wollen wir Sie auf den neuesten Stand bringen: Seitdem hat Robert Forster durch unermüdliches Touren, Schreiben (die Bücher »Grant & I« und »The Ten Rules of Rock'n'Roll«, ein in Kürze erscheinender Roman) und Aufnehmen eine solide Karriere zu seinen eigenen Bedingungen gemacht. »Strawberries« folgt auf eine Reihe von Deluxe-Neuauflagen von vier seiner älteren Soloalben sowie auf den dritten und letzten Band der karriereübergreifenden Serie von »G Stands For Go-Betweens«-Boxsets mit einer lang erwarteten Portion neuen Materials.
Neben zugegebenermaßen größeren Namen wie Bob Dylan oder Nick Cave ist Robert Forster der seltene Fall eines Künstlers mit einer gefeierten Vergangenheit, dessen aktuelles Werk bei einer treuen Fangemeinde echtes Interesse weckt.
Aber zurück zu unserer Szene in der Küche, zu Robert, Karin, einer Gitarre und einer leeren Schüssel: Als rein persönliches Lied ist »Strawberries« ein bisschen ein Ablenkungsmanöver im Kontext dieses neuen Albums, das sich, ungewöhnlich für Forster, fast ausschließlich mit beobachtenden Charakterstudien oder, wie der Autor es ausdrücken würde, »Story Songs« beschäftigt.
Als die überlebende Hälfte des großen Songwriter-Duos hinter den australischen Indie-Legenden The Go-Betweens (neben dem 2006 verstorbenen Grant McLennan), hat Robert Forster eine erfolgreiche Solokarriere zu verbuchen. Das ist das hart erarbeitete Resultat unermüdlicher Konzertreisen, seiner Arbeit als Schriftsteller und Kritiker ("Grant & I", "The Ten Rules of Rock"n"Roll", die anstehende Veröffentlichung seines Debüt-Romans) und im Aufnahmestudio. Auf eine Reihe luxuriöser Neuauflagen seiner ersten vier Soloalben, sowie dem dritten und letzten Teil der karriereumspannenden Boxset-Serie "G Stands For Go-Betweens" folgt nun "Strawberries", Soloalbum Nummer neun, mit einer heiß erwarteten Ladung neuer Songs, liebevoll produziert in einem Stockholmer Studio von Peter Morén (selbst ein Popstar bei Peter, Björn & John). Neben zugegebenermaßen größeren Namen wie Bob Dylan or Nick Cave, bleibt Robert Forster der ganz seltene Fall eines Künstlers mit großer Vergangenheit, dessen aktuelles Werk nicht nur von seiner treuen Fangemeinde mit wirklichem Interesse aufgenommen wird.
(Glitterhouse)
.​.​.​fantastisch gut.​ Forster beweist sich einmal mehr als einer der besten Songwriter, die aus der Post-Punk-Ära hervorgegangen sind.
(GoodTimes, Juni/Juli 2025)
Spiel ohne Grenzen
Über einen Mangel an Schicksalsschlägen in seinem Leben kann sich Robert Forster sicherlich nicht beklagen. 2006 verlor er seinen langjährigen Fahrensmann Grant McLennan, der mit nur 48 Jahren urplötzlich an einem Herzinfarkt verstarb. 15 Jahre später bekam seine Frau Karin Bäumler eine Krebsdiagnose – ein Ereignis, das seinerzeit die finalen Arbeiten an seinem fast fertiggestellten Album "The candle and the flame" überschattete und dieses teils bewusst ("She's a fighter"), teils unbewusst ("It's only poison") mit ganz neuer Bedeutung auflud. Aber Forster wäre kein echter Künstler, wenn er nicht auch Schmerz, Angst oder Verlust als Vor- und Antrieb nutzte, weiter Kunst zu machen. Mit "The evangelist" leistete Forster Trauerarbeit par excellence; auch heute ist dieses hoch emotionale Album noch Blaupause für die mehreren Phasen der Trauer, die man durchlebt – bis hin zu Akzeptanz und Überwindung. Heute, anno 2025, scheint sich Robert Forster so richtig freigestrampelt zu haben. "Strawberries" geht nämlich behutsam tastend den einen oder anderen neuen Weg, ohne das musikalische Erbe von Forster und McLennan zu verleugnen.
Natürlich finden sich auf diesem Album auch die Töne, die man von Forster erwartet. Immer dann, wenn er zu sparsam und sorgfältig instrumentierten Songs allerlei Melancholisches erzählt und singt, bestenfalls mit dieser stets etwas müden Stimme, als wäre er soeben erst unsanft geweckt worden. "Breakfast on a train" ist nachgerade ein Paradebeispiel: Fast acht Minuten lang schichtet Forster Strophe um Strophe, Refrain um Refrain aufeinander; trotzdem klebt man wie die Fliege am Honiglöffel dieser Musik, weil sie so schön geraten und komponiert ist. Auch "Such a shame" ist so eine Nummer, die strahlt. Gerade, weil sie nichts beweisen muss und kompositorisch ein bisschen was von Sinatras "My way" hat, aber ganz ohne bräsige Selbstgefälligkeit auskommt.
Doch dann wären da eben auch die anderen, teils neuen Seiten, die Forster aufschlägt: So zeigt er sich insbesondere im Opener "Tell it back to me" ungewohnt fit, energetisch, ja fast schon groovig-verspielt. Das geht mit Schmackes nach vorne, da verzeiht man sogar die reichlich unerwartet einsetzende Mundharmonika. "Good to cry" wiederum heißt ausgerechnet das bestgelaunte, wenn nicht etwas alberne Stück, welches hier und da schon in Richtung Country und Squaredance driftet. In "Strawberries" lauschen wir einem Duett mit Forsters Frau, hier kommen leicht jazzig-bluesige Töne und gar Saxofone zum Einsatz. Und der Rausschmeißer "Diamonds" fängt erst reichlich verstolpert mit leichten Velvet-Underground-Anleihen an, um immer wieder in fast schon atonale Abschnitte auszubrechen. Und wer ein bisschen die rumpelige Seite der Go-Betweens (die gab es ja bei allem Wohlklang auch) vermisst, der wird "All of the time" lieben.
Die Go-Betweens waren nie eine wirklich experimentelle Band. Sie haben sich innerhalb eines relativ übersichtlich abgesteckten musikalischen Rahmens bewegt, diesen jedoch so ziemlich in allen Schichten und Ebenen ausgelotet. Jetzt, kurz vor seinem 68. Geburtstag, scheint Robert Forster so langsam Lust zu bekommen, zu neuen Ufern aufzubrechen. Das macht er natürlich nicht überhastet und überstürzt, er braucht dazu auch keine PS-starke Motoryacht. Stattdessen setzt er sich mit einer Thermoskanne Kaffee ins Ruderboot und schaut einfach mal, wohin es ihn so treibt – und wie es so auf der anderen Seite des Sees aussieht. Wir freuen uns darüber, dass er uns auf diese Erkundungstour mitnimmt, und wünschen immer eine Handbreit Wasser unterm Kiel.
(Jochen Reinecke, www.plattentests.de)